Pirmasens – Die Medienkünstlerin, Filmemacherin und Autorin Hito Steyerl erhält den Hugo-Ball-Preis der Stadt Pirmasens. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro verbunden und wird im Rahmen einer öffentlichen Matinee am Sonntag, 5. März 2023 – eine gute Woche nach Hugo Balls Geburtstag – im Forum Alte Post in Pirmasens verliehen. Der mit 5.000 Euro dotierte Förderpreis wird an die Schriftstellerin, Dramaturgin, Musikerin und PerformerinOlivia Wenzel vergeben.
Hito Steyerl zählt zu den international bedeutendsten Künstlerinnen der Gegenwart. 2017 wurde sie vom britischen Kunstmagazin „ArtReview“ zur einflussreichsten Persönlichkeit im internationalen Kunstbetrieb gekürt. In ihrem Werk, das sowohl einen dokumentarischen als auch einen fiktiven Ansatz besitzt, setzt sich Hito Steyerl mit Themenkomplexen wie Postkolonialismus, Krieg, Feminismus, Kapitalismus, Gewalt oder digitale Welt auseinander. Nicht zuletzt geht es in ihren konzeptuellen, experimentellen Installationen um die Rolle der Kunst in der Gesellschaft.
Nach dem Film-Studium in Tokio arbeitete sie u. a. an einem Film von Wim Wenders mit, studierte in München Dokumentarfilmregie und promovierte 2003 in Philosophie an der Wiener Akademie der Bildenden Künste. Derzeit ist sie Professorin für Medienkunst an der Universität der Künste Berlin. 2015 und 2019 war sie mit Arbeiten bei der Biennale in Venedig vertreten, eineÜberblicksschau von Hito Steyerl fand im Herbst 2020 im Centre Pompidou in Paris und der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, statt. Bei der diesjährigen Documenta 15 in Kassel zog sie ihre Arbeiten aus Protest gegen die Ausstellung zurück.
Die Begründung der Jury zum Hugo-Ball-Preis 2023 lautet: „Die Künstlerin, Autorin, Filmemacherin und Professorin Hito Steyerl durchdringt digitale Welten, spürt modernen und alten Mythen nach, konfrontiert ihr Publikum mit der verwirrenden Anarchie der Bilder. Ihr sprühender Intellekt, ihre überwältigende Ideenvielfalt, ihre stilistische Präzision, ihr inspirierendes Wildern in verschiedenen Genres und ihre radikale Zeitgenossenschaft machen diese Ausnahmekünstlerin zu einer im weitesten und besten Sinn Geistesverwandten der Dada-Bewegung und Hugo Balls. Dabei vereinen Hito Steyerls Interventionen und Installationen stets das Poetische mit dem Politischen. Bei aller ästhetischen Offenheit ist sie eine Künstlerin mit Haltung, die jenseits von Lagerdenken Farbe in gesellschaftlichen Debatten bekennt und dabei für eine Streitkultur steht, die dem Argument statt dem Ressentiment folgt“.
Olivia Wenzel, 1985 in Weimar geboren, studierte in Hildesheim Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis. Ihre Theaterstücke wurden u. a. an den Münchner Kammerspielen aufgeführt. Sie leitet Textwerkstätten mit Kindern und Jugendlichen und war im Duo OTIS FOULIE als Singer Songwriterin aktiv. In der freien Theaterszene arbeitet sie als Performerin mit Kollektiven wie vorschlag:hammer. Ihr erster Roman »1000 Serpentinen Angst« erschien 2020.
Die Vergabe des Förderpreises wurde von Seiten der Jury so begründet: „Olivia Wenzel schreibt Prosa und Theatertexte, ist Dramaturgin, Musikerin und Performerin. Sie bespielt all diese Disziplinen lustvoll und furios und findet dabei zu einem eigenen und neuartigen Tonfall. Mit ihrem Debütroman «1000 Serpentinen Angst» schuf sie ein Zeitzeugnis, das mehrstimmig das spannungsreiche Verhältnis von Zugehörigkeit und Zuschreibung in der postmigrantischen Gesellschaft ausbuchstabiert. Schonungslos und in radikaler Selbstreflexion lotet die junge Erzählerin, eine mit Diskriminierungen konfrontierte ostdeutsche Schwarze, ihre widersprüchliche Gefühlswelt aus und führt ihre Leserschaft an blinde Flecken der kollektiven Wahrnehmung. Wenzels ästhetischer Wagemut, ihre dialogische Erzählweise, ihre Offenheit gegenüber unterschiedlichen Genres, ihr Interesse an großen Fragen der Gegenwart und ihre Lust an Kooperationen erinnern an die bis heute fruchtbaren Impulse der Dada-Bewegung und Hugo Balls.“
Der Jury gehören Salome Hohl, Direktorin des Cabaret Voltaire in Zürich, die in München lebende Redakteurin bei der Süddeutschen Zeitung, Dr. Kia Vahland sowie der Literaturkritiker Dr. Helmut Böttiger (Berlin) an.
Quelle: Stadtverwaltung Pirmasens