Pirmasens – Mit Witz und Berliner Schnauze spielte sie sich einst in der Kultserie „Drei Damen vom Grill“ in die Herzen der Fernsehzuschauer: Brigitte Grothum. Ende des Monats wird die Charakterdarstellerin 87 Jahre alt – und denkt nicht ans Aufhören. Am Samstag, 28. Januar 2023, steht sie in der Pirmasenser Festhalle auf der Bühne. In dem grandiosen wie beklemmendem Soloschauspiel „Ein deutsches Leben“ verkörpert sie Brunhilde Pomsel, ehemalige Sekretärin von Nazi-Größe Joseph Goebbels. 

Das Stück – in einer Inszenierung von Regisseur Philip Tiedeman – geht unter die Haut. Es ist ein beeindruckendes Dokument der Zeitgeschichte über eine „unpolitische Mitläuferin“ und ein sehenswertes Muss, gerade auch für jüngere Theaterbesucher. Nuanciert durch den Blick einer Zeitzeugin mit exzellentem Erinnerungsvermögen erzählt Brigitte Grothum in einer intensiven Darstellung über ein Leben in Deutschland in der Blüte Berlins und an der Seite von NS-Propagandaminister Joseph Goebels. Akzentuiert eingesetzte Ton-, Musik- und Bilddokumente schaffen bedrückende Elemente, die das strahlende Berlin jener Tage zwischen angstmachender Kulisse durchklingen lassen.

Im düsteren Zimmer eines Altenheims sitzt die greise, ganz in schwarz gekleidete Brunhilde Pomsel, auf dem Tisch vor sich eine rote Rose, um den Hals eine grüne Perlenkette. Erinnerungen erwachen, Schatten der Vergangenheit holen sie ein. Doch hat sie wirklich vergessen, was sie einst in den letzten drei Jahren vor Kriegsende in Goebbels Büro stenographiert hat, was sie unweigerlich mitbekommen haben muss? Oder wollte sie es vielmehr vergessen? Die Antwort darauf muss jeder einzelne im Publikum selbst finden. Auch auf die Frage: Was hätte ich getan?

Das Einpersonenstück zeichnet das wahre Leben der 1911 in Berlin geborenen Brunhilde Pomsel nach. Wilhelm II war Kaiser, die Familie gehörte der Mittelschicht an. Ein ganz normales deutsches Leben. Nach der Schule begann sie mit einer Ausbildung in einem noblen Konfektionshaus. Anschließend arbeitete sie gleichzeitig als Sekretärin eines jüdischen Rechtsanwalts sowie eines deutschnationalen Frontkämpfers und frühen Nationalsozialisten – größer könnten die Gegensätze nicht sein. 1933, mit der Machtergreifung der Nazis, wechselte sie als Stenotypistin zur Reichs-Rundfunk-Gesellschaft. Dafür trat sie in die NSDAP ein, auch wenn sie eigentlich politisch völlig uninteressiert war. 1942 begegnete sie Propaganda-Minister Joseph Goebbels, den sie fortan bis zum Kriegsende – trotz ihres Selbstverständnisses als unpolitische Mitläuferin – als dessen Sekretärin begleitete. Sogar dessen Mord an seiner Familie, als auch den gemeinschaftlichen Suizid mit seiner Frau erlebte Pomsel mit, bevor sie in sowjetische Kriegsgefangenschaft genommen wird.

Anders als Hitlers Sekretärin Traudl Junge war Brunhilde Pomsel niemals im Zentrum der Macht. Sie war ein kleines Rädchen im Getriebe und nahm Krieg und Diktatur von einem Randplatz aus wahr. Ihr Blick auf diese Zeit ist der Blick vieler ihrer Zeitgenossen, die Teil des Systems waren. Eine Mitläuferin, die aber über eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe verfügte. Nach längerer Kriegsgefangenschaft in Russland arbeitete sie als Chefsekretärin bei der ARD. Brunhilde Pomsel verstarb 2017 im Alter von 106 Jahren.

Das Einpersonenstück „Ein deutsches Leben“ basiert auf einem Interview, das Brunhilde Pomsel im Alter von 102 Jahren für einen Dokumentarfilm gab. Der britische Dramatiker, Übersetzer und Drehbuchautor Christopher Hampton (Jahrgang 1946) hat aus originalen Gesprächen eine aufschlussreiche Studie dieses deutschen Lebens verfasst – wobei auch der Humor nicht zu kurz kommt. 2019 feierte dieses besondere Stück in London seine umjubelte Uraufführung, bevor es im September 2020 mit Brigitte Grothum erstmals in deutscher Sprache am Berliner Schlosspark Theater zu erleben war.

www.pirmasens.de/kultur

Auf einen Blick: Am Samstag, 28. Januar 2023, ist Brigitte Grothum in dem Einpersonenstück „Ein deutsches Leben“ in Pirmasens zu erleben. Die szenische-Lesung in der Festhalle beginnt um 20 Uhr. Eintrittskarten (inklusive Garderobengebühr) zum Preis zwischen neun und 20, ermäßigt zwischen 4,50 und zehn Euro, gibt es im Vorverkauf im Forum Alte Post (Telefon: 06331/2392716; E-Mail: kartenverkauf@pirmasens.de) sowie im Internet unter www.ticket-regional.de.

Quelle: Stadtverwaltung Pirmasens