Mainz – Der Landtag Rheinland-Pfalz hat den 77. Geburtstag seiner Verfassung am 18. Mai 2024 mit einem Festakt im Mainzer Deutschhaus, dem Sitz des Landesparlaments, gefeiert. Landtags­präsident Hendrik Hering hob in seiner Rede den Wert von Demokratie und Verfassung hervor. Zugleich ging er auch auf die gegenwärtigen Bedrohungen ein. Festredner in diesem Jahr war Basil Kerski, Direktor des European Solidarity Centre im polnischen Danzig.

Am 18. Mai 1947 stimmten die Bürgerinnen und Bürger von Rheinland-Pfalz über ihre Verfassung ab und wählten den ersten Landtag. Traditionell begeht der Landtag diesen Tag mit einem Festakt und öffnet anschließend seine Tore für die Öffentlichkeit, um die Demokratie zu feiern.

Landtagspräsident Hendrik Hering (Foto: Landtag Rheinland-Pfalz)
Landtagspräsident Hendrik Hering (Foto: Landtag Rheinland-Pfalz)

Hering: Demokratie fördern

Landtagspräsident Hendrik Hering ging zu Beginn seiner Rede auf die zunehmenden Angriffe auf Amts- und Mandatsträger im aktuellen Kommunal- und Europawahlkampf ein.

„Wer Menschen beim Aufhängen von Wahlplakaten attackiert oder nach Wahlveranstaltungen auflauert, bewegt sich außerhalb unserer demokratischen Gesellschaft. Wer das tut, will eine Atmosphäre der Angst und Gewalt schaffen, um die Bürgerinnen und Bürger von ihrer demokratischen Beteiligung abzuhalten. Das weckt Erinnerungen an die dunkelsten Zeiten unserer Geschichte.“

Landtagspräsident Hendrik Hering

Was man täglich erlebe, sei eine Verrohung der politischen Debatte, eine beispiellose Hetze in den sozialen Medien und eine Staats- und Demokratieverachtung, die sich nicht nur an den Rändern der Gesellschaft offenbare. Hendrik Hering sagte, dass das Strafrecht nicht verschärft, sondern konsequent angewendet werden müsse. Auch die Mittel für politische Bildung und Medienkompetenz müssten erhöht werden. Der Landtag hat hierfür mehr als eine Verdopplung seiner Mittel für Demokratieförderung für die Jahre 2025/26 beantragt. Zugleich rief Hendrik Hering zu Zivilcourage und Mut auf. Denn wenn der Mut verloren gehe, ernteten die Antidemokraten was sie säen würden.

„Jede Demokratiebewegung war im Kern eine zivilgesellschaftliche Bewegung. Das gilt für Deutschland wie für Polen.“

Hendrik Hering

Im Umkehrschluss aber folge daraus: Ob eine Demokratie errungen, verteidigt oder verloren werde, hänge unmittelbar von der Mitte der Gesellschaft ab.

„Wenn sie schweigt, hat die Demokratie keine Chance.“

Hendrik Hering

Der Blick nach Polen könne hier helfen.

„Polens Rückeroberung der Demokratie ist mehr als nur ein Hoffnungsschimmer in düsteren Zeiten. Sie ist ein helles Licht der Stärke, der Kraft und des Mutes der Menschen. Denn es waren mutige Politiker, Juristinnen und Journalisten, vor allem aber waren es die Polinnen und Polen selbst, die für einen so klaren, pro-europäischen Richtungswechsel gesorgt haben“.

Hendrik Hering

Hendrik Hering rief dazu auf, aktiv gegen die Gefährdung unserer Demokratie und unserer Verfassung vorzugehen. Gleich mit dem ersten Satz sei der Ton der Verfassung gesetzt worden:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Gerade für rechtspopulistische Parteien und autoritäre Regime seien Verfassungsgerichte ein Dorn im Auge, weil diese verteidigten, was Extremisten ablehnten: die universellen Freiheits- und Gleichheitsrechte, wie sie im Grundgesetz verbürgt seien. Es verwundere daher nicht, dass Verfassungsgerichte oft als erste beschädigt würden.

Der Landtagspräsident lenkte den Blick auch auf die gemeinsame europäische Geschichte und die gemeinsamen Werte. Es sei notwendig, sich daran zu erinnern, dass die EU nicht nur ein Wirtschaftsprojekt sei, sondern mindestens ebenso für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte stehe.

„Gemeinsam müssen wir in Europa die Herausforderungen der Zukunft stemmen – einer Zukunft, die gerade von der Ukraine verteidigt wird.“

Hendrik Hering

Demokraten müssten heute mehr denn je über Landesgrenzen hinweg zusammenhalten.

Basil Kerski, Direktor des European Solidarity Centre im polnischen Danzig. (Foto: Landtag Rheinland-Pfalz)
Basil Kerski, Direktor des European Solidarity Centre im polnischen Danzig. (Foto: Landtag Rheinland-Pfalz)

Kerski: Werte der Freiheitsrevolutionen verteidigen

Festredner Basil Kerski, der sowohl in Deutschland, als auch in Polen lebt, war und ist Zeuge, wie Polen nach der Niederlage der rechtspopulistischen PiS-Partei bei den Parlamentswahlen im Herbst 2023 seine Freiheitsrechte wiedererlangte.

„Wir treffen uns, Deutsche, Polen und EuropäerInnen, in Mainz zu einem historischen Zeitpunkt. Vor genau 35 Jahren, im Frühjahr 1989, begann mit dem Wahlsieg der polnischen Solidarność-Bewegung eine europäische Revolution, die unseren Kontinent veränderte. Es war viel mehr als eine Wende. Das heute vereinigte Europa ist auf der Basis dieser Revolution von 1989 entstanden. Die Berliner Mauer wurde niedergerissen, der Eiserne Vorhang fiel. Deutschland und Polen wurden nach 1989 zu souveränen, demokratischen Nationen. Die Werte der Freiheitsrevolutionen von 1989 – europäische Solidarität, offene Gesellschaft, Demokratie, Menschenrechte, Minderheitenrechte, friedlicher Dialog – sind heute zu verteidigen. Mit der deutschen Einigung 1990 ist eine neue deutsche Republik entstanden. Sie ist ein Kind des Erfolges der Bonner Republik und des Mutes der Menschen in der DDR und anderen Staaten des ehemaligen Ostblocks. 1989 war die erste Revolution im 20. Jahrhundert, die Deutsche gemeinsam mit Polen auslösten. Und sie war erfolgreich. Demokratisches Selbstbewusstsein, Sinn für demokratische Traditionen in Deutschland und die Erinnerung an vergangene Solidarität der Europäer brauchen wir als Basis für ein neues politisches Bewusstsein. Wie brauchen als politisches Kapital kulturelle Bindungen zwischen Demokraten, innerhalb der Bundesrepublik und im Verhältnis zu den Nachbarn. Das muss jetzt stärker werden. Das muss jetzt kommen, damit der autoritäre Tsunami verhindert wird. Und Hoffnung sollten sich Menschen in Deutschland als einen Baum vorstellen, der gepflegt werden muss.“ 

Basil Kerski

Im Anschluss daran diskutierte er gemeinsam mit der polnischen Soziologin und Journalistin Maria Skóra und der Leiterin des Programms für Europapolitik des Institute of Public Affairs in Warschau, Malgorzata Kopka-Piątek.  

Dreyer: Demokraten haben immense Stärke 

Ministerpräsidentin Malu Dreyer sagte anlässlich des Verfassungstages:

„Unsere Demokratie steht stark unter Druck – von innen und auch von außen. Zudem haben wir große Aufgaben zu meistern: die Transformation der Wirtschafts- und Arbeitswelt und den Erhalt unseres Planeten. Aber es gibt Grund zur Zuversicht: Wir können die Zukunft zum Guten wenden. Als Demokraten und Demokratinnen haben wir eine immense Stärke: Wir haben die Kraft der Mehrheit, die Kraft der Vernunft und die Kraft des Kompromisses.

Bei allem, was viele Engagierte mit Sorgen erfüllt, finde ich es bestärkend zu sehen, wie sich Menschen gemeinsam auf den Weg machen, um unsere Demokratie zu verteidigen und zu leben. In unserem rheinland-pfälzischen Bündnis „Demokratie gewinnt“ haben wir mittlerweile über 120 starke Partner und Partnerinnen. Außerdem habe ich anlässlich von 75 Jahre Grundgesetz und 77 Jahre rheinland-pfälzische Landesverfassung das neue Förderprogramm „100 mal 500 für die Demokratie“ ins Leben gerufen, mit dem wir kleine Initiativen unterstützen. Lassen Sie uns alle zusammen die Demokratie und ihr Freiheitsversprechen leben und hochleben: Heute in Mainz und in einer Woche in Berlin feiern wir gemeinsam: Liebes Grundgesetz und liebe Landesverfassung, Happy Birthday.“

Ministerpräsidentin Malu Dreyer

Quelle: Landtag Rheinland-Pfalz