Dahn – Die Kreisgalerie Dahn zeigt von 16. Februar bis 16. März „Chimaera – Wer aus mir trinkt, wird ein Tier“ von Annet Kuska. Die Ausstellung steht dienstags bis sonntags zwischen 15 und 18 Uhr vier Wochen zum kostenfreien Besuch offen.

Bei der Vernissage führt Jochen Gindele im Dialog mit Künstlerin Annet Kuska am 16. Februar um 11 Uhr in die Ausstellung ein. Die musikalische Umrahmung übernehmen Anton und Thomas Ruppert an der Trompete.

In ihren Bildern – meist sind es Grafiken oder Druckgrafiken – verbindet Annet Kuska häufig Menschliches und Tierisches. Die daraus entstehenden Wesen haben manchmal etwas von Mischwesen. Chimärenhaft bewegen sie sich über die Bildfläche, in einer Art bizarrer oder fabelhafter Prozession. In anderen Bildern erscheint das Tier eher als Begleiter oder sogar als „alter ego“, als tierischer Stellvertreter der dargestellten Person. Die Porträts von Tier und Mensch liegen übereinander, sie überschneiden sich, gehören somit zusammen und bleiben doch getrennt wahrnehmbar. “Wer sind die? Was geht hier vor?”, fragt man sich beim Betrachten. Die Bildserien und Porträts wirken wie Ausschnitte aus märchenhaften Erzählungen. Die Frage nach einer Geschichte, die zu den dargestellten Figuren passt, drängt sich auf. Tatsächlich gibt es keinen Text als Grundlage für Kuskas Arbeiten, doch der narrative Impuls ist beabsichtigt, da er letztendlich die Frage an den Betrachter zurückgibt: Wer bist du? Und was geht hier vor? „Damit ist das große Thema dieser Bilder benannt“, spannt Kuska den Bogen: „Die Frage nach der Identität einer Person, nach dem Prozess des Sehens und des Gesehenwerdens, nach einer Erzählung über Menschen – die dargestellten und die betrachtenden. Die Frage, was Identität ausmacht, sowie der Wunsch nach Veränderung und Verwandlung ist etwas zutiefst Menschliches.“ Durch die menschliche Kulturgeschichte hindurch lassen sich solche Vorstellungen und Hoffnungen immer wieder durch die Verbindung von Menschlichem mit Tierischem fassen – beispielsweise im antiken Ägypten durch die Darstellung von Göttern mit tierischen Köpfen oder der menschlichen Seele als Vogel. In schamanischen Zusammenhängen ist eine solche Vermischung üblich wie auch die Vorstellung sogenannter „spirit animals“ als Pendant zu unserer Persönlichkeit. Manchmal fungiert das Tier als Projektionsfläche für die Erfahrung von Fremdheit, wie das bei spätmittelalterlichen Darstellungen von Menschen mit Hundsköpfen der Fall ist. Bei Kuska haben die Tiere eine eher positive Funktion: Sie verkörpern die Seele, das Wesen, manchmal auch den freien, ungehinderten Geist, die Unbändigkeit und Freude der Menschen, denen sie zugeordnet sind. Die Tiere sind der klassischen Konventionen des Sehens und Gesehenwerdens in der Porträtkunst enthoben, so sind sie freier, was zu einer Spannung führt mit dem menschlichen Teil oder der menschlichen Person, mit der sie in Verbindung stehen. Die Verunsicherung unserer Sehkonventionen, die insbesondere bei den Frauenporträts provoziert wird, macht diese Spannung erlebbar. In den druckgrafischen Serien finden diese Gedanken ihren Ausdruck in fast karnevalesken, humorvollen Szenen, die ein wenig an Märchen erinnern, in denen die Grenzen zwischen tierischer und menschlicher Form ebenfalls nicht streng fixiert sind. An diesen Aspekt knüpft der Titel der Ausstellung durch das leicht abgewandelte Zitat aus dem Grimmschen Märchen „Brüderchen und Schwesterchen“ an. Im Märchen lebt das Tier Dinge aus, die dem Menschen verwehrt sind. Gleichzeitig ist es bedroht und daher besonders schutzbedürftig. Diese Ambivalenz von Kraft beziehungsweise Entfaltung einerseits und der Zerbrechlichkeit und Fragilität einer solchen Entfaltung andererseits zieht sich durch das gesamte Werk von Annet Kuska. Das eröffnet spannungsvolle Räume für fantasierendes Fragen und Träumen, aber auch für innere Reflexion und kritisches Betrachten.

Vita & Ausstellungen:

Annet Kuska wurde 1972 in Freiburg geboren. Sie wuchs im Hochschwarzwald und in Emmendingen am Kaiserstuhl auf. Nach ihrem Abitur studierte Kuska zunächst Theologie an den Universitäten in Freiburg, Heidelberg und Berlin (Humboldt). 1997 zog sie nach England. Von 1998 bis 2003 studierte sie Freie Kunst an der Kunsthochschule Arts Institute at Bournemouth (heute Arts University at Bournemouth). Von 2003 bis 2009 arbeitete sie als Dozentin für Druckgrafik, Zeichnen und Critical & Historical Studies am Arts Institute at Bournemouth. Darüber hinaus war sie freischaffend tätig.

Seit 2009 lebt Annet Kuska wieder in Deutschland und ist als Kunstpädagogin am Gymnasium des Alfred-Grosser-Schulzentrums in Bad Bergzabern tätig. Grafik und Druckgrafik stehen im Zentrum ihres künstlerischen Schaffens, ergänzt durch Malerei und Objekt. 2005 gewann Kuska ein Stipendium der Stadt Southampton/England. Im selben Jahr entstand die plastisch-druckgrafische Arbeit „All things vernacular“ als Beitrag zum Art vaults project – ein Projekt für Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Southampton. 2014 initiierte Annet Kuska einen internationalen Druckgrafik-Portfolio-Tausch mit Künstlerinnen und Künstlern aus England, Frankreich und Deutschland. Vorrangiges Ziel dieses Projektes waren die Begegnung und der Austausch aller Teilnehmenden. Das resultierende Portfolio wurde zum Ausgangspunkt einer Werkschau aller Beteiligten, die 2015 in kurzer Abfolge in Deutschland und Frankreich gezeigt wurde. 2015 machte Annet Kuska eine Ausbildung zur Falknerin. Sie lebt im Pfälzerwald und arbeitet neben ihrer Schultätigkeit weiterhin künstlerisch in ihrer eigenen Druckwerkstatt.

Ausgewählte Ausstellungen

  • 2024    Vorhänge, Kulturstiftung der Sparkasse Karlsruhe
  • 2023    Das Tier und Wir. Faszination und Verwirrung, Strieffler Haus der Künste, Landau
    Artopie, Meisenthal, Frankreich
  • 2022    Kunstmesse, Frauenmuseum Bonn
  • 2021    VOGELfrei, Ludwig-Doerfler-Museum, Schillingsfürst
  • 2019    In der Schwebe, Artgalerie am Schloß, Bad Bergzabern
  • 2018    Artopie, Meisenthal, Frankreich
    TierNaturPur, Heinrich von Zügel Preis Ausstellung, Kunstverein Wörth
    Unter Druck, Striefflerhaus der Künste Landau
    Das Quadrat, Kunstverein Zweibrücken & Dahn

Quelle: Kreisverwaltung Südwestpfalz


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