Speyer – Die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach baut auf Dramatik und Gefühl, ist nah beim Volk angesiedelt. Am Palmsonntag verleiht die Speyerer Kirchenmusik unter Leitung von KMD Robert Sattelberger dem Opus Magnum der Kirchenmusik in der Dreifaltigkeitskirche Gestalt.
Wenn KMD Robert Sattelberger am Palmsonntag, 24. März, um 17 Uhr in der Dreifaltigkeitskirche zur Aufführung der „Matthäus-Passion“ von Johann Sebastian Bach den Taktstock hebt, so ist das für den erfahrenen Kirchenmusiker quasi eine Premiere. Unter seiner Stabführung jedenfalls wird das Opus Magnum der Kirchenmusik erstmals in Speyer erklingen. Ausführende sind neben der Speyerer Kantorei sowie Kurrende die Solisten Angelika Lenter, Sopran, Simone Pepping, Alt, der englische Tenor Christopher Diffey (krankheitsbedingt für Daniel Schmid), der sowohl den Evangelisten-Part als auch die Arien gestaltet, und Christian Dahm, zuständig für die Worte Jesus Jesu und Thomas Herberich (krankheitsbedingt für Leonhard Geiger) für die Bass-Arien und die kleinen Nebenrollen. Instrumentaler Partner ist das „Collegium Musicum Speyer“.
Am Karfreitag des Jahres 1727 – da ist sich die Musikforschung mittlerweile einig – führte Bach die „Matthäus-Passion“ erstmals im Gottesdienst in der Thomaskirche auf – danach erklang das Werk wohl noch weitere drei Male in Leipzig, um nach seinem Tod bis zur Wiedererweckung durch Felix Mendelssohn 1829 gänzlich in der Versenkung zu verschwinden.
Ein anderes Schlüsselwerk abendländischen Musikschaffens aus der Feder des Leipziger Thomaskantors feiert in diesem Jahr die Wiederkehr seiner 300. Uraufführung. Und ist in den Programmen der Vorosterzeit damit geradezu omnipräsent. Aber Robert Sattelberger winkt ab: Irgendwelchen Jubiläen sei er immer bewusst aus dem Weg gegangen, daher sei die Johannes-Passion in diesem Jahr keine Option für ihn gewesen.
Nun also eben die Matthäus-Passion, die mit zwei Chören nebst zwei Orchestern, zusätzlich einem Kinderchor für den großen Eingangssatz schon besetzungstechnisch eine Herausforderung darstellt. Aber das allein reicht nicht als Begründung für diese „persönlich doch recht späte Premiere“, wie der verdienstvolle Kirchenmusiker freimütig bekennt. „Zuvörderst ist das meinen großen Respekt vor diesem sehr besonderen Werk Bachs geschuldet. Ich wollte einfach selbst ganz und gar bereit dafür sein.“
Freilich, er habe schon seit einer Weile damit geliebäugelt. „Das epische, dazu doppelchörige Opus braucht natürlich Vorlauf; die Aufgaben der Kantorei, jeweils im November und in der Vorweihnachtszeit, wiederum binden enorme Kräfte. Schließlich kam Corona und danach brauchte die chorische Konsolidierungsphase Raum.“
Aber mehr noch war es die eigene Auseinandersetzung mit dem Stoff, die Lesart der Botschaft, die in ihm einfach reifen wollte. „Früher, als junger Mensch, der das Werk im studentischen Kontext begeistert mit gesungen hat“, so bekennt Sattelberger, „war es der betäubende Rausch dieser fantastischen Musik, der allein zählte, in den man sich bereitwillig fallen ließ.“ Mehr und mehr befasse er sich aber seit vielen Jahren mit dem Evangelientext und dessen Botschaften. „Ist das nun Museum? Oder nimmt das ganz konkret Bezug auf das Hier und Jetzt? Das will ich hinterfragen, und daran orientiert sich auch ein Stück weit meine Interpretation.“
In der Speyerer Kantorei hatte der Kantor bereits nach der Sommerpause 2023 mit der „Verankerung begonnen“, immer mal kurze Probeeinheiten zwischen das laufende Programm geschoben. Sehr viel Registerproben sorgten für sattelfesten Notentext, und immer war auch der exegetische Hintergrund Gegenstand im Probenverlauf. „Schließlich ist das eine Kirchenoper von höchster Dramatik, da passiert Ungeheuerliches und Bach hat es musikalisch inszeniert wie einen gehaltvollen, an Schichten reichen Krimi.“
„Zahlensymbolik, das handelnde Personal, die emotionale Ebene, die Nähe am Menschen, die Macht der Massen – das alles drängt gerade in der Matthäus-Passion so unmittelbar ins Licht – dem habe ich versucht, Präsenz zu verschaffen während des Singens; das soll ja schließlich als Botschaft transportiert, möglichst unmittelbar vermittelt werden.“ Der permanente Rollentausch, den gerade der Chor zu bewältigen hat – mal aufgepeitschte Volksmasse, mal Kriegsknechte, Jüngern, hohe Priestern und Älteste, dann schließlich der emotionale Gegenentwurf, die kommentierenden, kontemplativen Choräle -, das brauche besondere Pflege. „Sonst wird das nicht glaubwürdig.“
Glücklich ist er über die Wahl des „Collegium Musicum Speyer“, das sich aus Instrumentalisten der Alte-Musik-Szene der weiteren Region rekrutiert und für historisch informierte Aufführungspraxis steht. Wobei Robert Sattelberger diesen Begriff lieber durch „authentisch“ ersetzt haben will. „Auf jeden Fall werden die beiden Orchester das Werk in barocker Manier gestalten.“
Bach: Matthäus-Passion, 24.03., 17 Uhr, Dreifaltigkeitskirche; Solisten, Speyerer Kantorei und Kurrende, Collegium Musicum Speyer, Leitung: KMD Robert Sattelberger; Tickets zu 25 (erm.: 10) Euro beim Capella Verlag, Roßmarktstr. 32, und www.reservix.de; Info: www.gedaechtniskirchengemeinde.de
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Quelle: Kantorat Speyer