Speyer – Dass die Technik Museen Sinsheim Speyer ganz besondere motorisierte Kuriositäten beherbergen, ist bekannt. Ein Aushängeschild dafür ist das mittlerweile weltberühmte Experimentalfahrzeug Brutus: ein 47 Liter Hubraumgigant auf einem Fahrgestell mit Kettenantrieb von 1907.
Im Technik Museum Speyer steht eine andere feuerspuckende Höllenmaschine – mindestens genauso laut und hubraumstark – und hört auf den Namen „Mavis“. Die Dauerleihgabe haust nun in einer eigens für sie geschaffenen Garage. Der neue Ausstellungsraum würdigt Mavis‘ Entstehungsgeschichte und deren Konstrukteur: Dauermitglied im Museumsverein Auto + Technik Museum Sinsheim e. V. Chris Williams.
42 Liter Hubraum, 1.500 PS und 2,4 Tonnen schwer – das sind die ehrfurchtsgebietenden Maße der schwarzen Dame. Packard-Bentley „Mavis“ ist weder ein Serienfahrzeug noch ein Prototyp eines bekannten Automobilherstellers. Es ist die Eigenkreation des britischen Ingenieurs Chris Williams, welche seit 2010 bei zahlreichen Oldtimer-Veranstaltungen für große Aufregung sorgt. Diese Marke Eigenbau, benannt nach der fiktiven Frauenfigur Mavis Riley aus der TV Serie „Coronation Street“ der 60er/70er Jahre, ist jedoch alles andere als damenhaft. Angetrieben wird das Bentley-Acht-Liter-Fahrgestell von einem Packard Torpedobootsmotor 4M-2500 V-12, welcher bei der US-Navy im Zweiten Weltkrieg eingesetzt wurde und später beim Tractor-Pulling unter dem Namen „Snoopy I“ Erfolge feierte. Ganz nach dem Motto „nicht kleckern, sondern klotzen“ verbraucht die Bestie unter Volllast 15 Liter Treibstoff – pro Minute versteht sich. Und wer denkt, dass das Fahrvergnügen nur kurz währt, der irrt. Die Mavis beherbergt einen Kraftstofftank mit 200 Liter Fassungsvermögen. Sieben Jahre hat der Brite an dieser Dame, so nennt Chris Williams sie mit einem Augenzwinkern, gearbeitet und dabei fast nur Oldtimerteile verbaut.
„Es ist die größte Verschwendung von Zeit, Geld und Ingenieurswissen“,
erzählt er jedes Mal lachend.
Als Dauerleihgabe steht das Einzelstück nun im Technik Museum Speyer in einer eigens für sie angefertigten Garage. Der Ausstellungsbereich ist eine Hommage an die bemerkenswerte Konstruktion. Er wurde sorgfältig gestaltet, um die einzigartigen Merkmale der Mavis zu präsentieren. Hier können die die Besucher die Faszination und Schönheit des Fahrzeugts hautnah erleben und seine außergewöhnliche Geschichte entdecken: Auf 80 m² und komplett in Schwarz eingehüllt, lässt es seine Geschichte und Kraft auf die Besucher wirken. Sparsam eingesetzte Lichtquellen beleuchten, worauf es ankommt: Das kurvige Exponat. Hier wird schnell deutlich, dass das einzig nette am Packard-Bentley nur der Name „Mavis“ ist. Die jeweils rechts und links zwölf abstehenden Auspuffrohre halten einen davon ab, dem Fahrzeug zu nah kommen zu wollen. Die spitzzulaufende Kühlerschnauze zeigt nur eine Richtung an: geradeaus. Diesem modifizierten Bentley will man nicht im Weg stehen. Das Lenkrad ist von Schaltern und Reglern umgeben, die an ein Kampfflugzeug erinnern. Das Armaturenbrett ist nach Flugzeugvorgaben konstruiert und unter dem Lenkrad befindet sich sogar ein Abzugsknopf einer Spitfire – jedoch nur zum Dekorationszweck. Gegenüber der Mavis ist ein Packard-Torpedo-Bootsmotor ausgestellt – so einer schlummert unter ihrer Motorhaube und wehe dieser wird angelassen: Der Motor leistet beeindruckende 1.500 PS und hat ein Drehmoment von rund 2.700 Nm. Dahinter ist auf Tafeln und Skizzen die Entwicklung der Mavis dargestellt.
Einmal im Jahr darf sie ihre Kräfte beim BRAZZELTAG, das mittlerweile kultige Technik-Festival, auf dem Speyerer Museumsgelände spielen lassen. Immerhin ist sie für den Brutus und andere hubraumstarke Oldtimer eine würdige Gegnerin. Schon beim Anlassen fängt sie an zu röcheln und zu rauchen – so bereitet sie sich für ihren Auftritt vor. Und dieser kann sich sehen lassen: Bereits von weitem ist die brachiale Kraft zu hören. Sobald der Wagen anrast, erbebt der Boden. Aus den 24 Auspuffrohren spuckt er Feuer und hinterlässt manch erstauntes und beeindruckende Gesicht. BRAZZELTAG-Fans feiern die Auftritte des Packard-Bentleys.
„Wir freuen uns sehr darüber, dieses brachiale Fahrzeug unseren Gästen, präsentieren zu dürfen. Im Museum gibt es Technik für Fans von Fans und diese Marke Eigenbau ist das beste Beispiel dafür.“
Andreas Hemmer, Standortleiter am Technik Museum Speyer
Quelle: Technik Museum Speyer